Was versteht man unter "Zivilcourage"?

Ohne Rücksicht auf eventuelle Nachteile

Von einem Soldat wird Tapferkeit eingefordert. Zivilcourage hingegen ist die Tapferkeit der Nicht-Soldaten. Dieser Begriff geht auf Otto von Bismarck zurück.


VON PETER KOBLANK (2005)

Das Wort Zivilcourage hat seinen etymologischen Ursprung in den beiden Teilen Zivil und Courage und bedeutet wörtlich übersetzt Bürgermut.

Im 16. Jahrhundert wurde das Fremdwort civil aus der französischen Sprache entlehnt und bis auf weiteres auch mit einem "c" am Anfang geschrieben. Die Bedeutung war bürgerlich im Sinne von verfeinert, höflich, umgänglich, entgegenkommend, annehmbar. Das französische civil stammt vom lateinischen civilis (bürgerlich), das auf dem Substantiv civis (Bürger) basiert.

Im 19. Jahrhundert wurde Civil zu einem Begriff für bürgerliche Kleidung im Gegensatz zur militärischen Uniform. Heute wird zivil fast nur noch synonym für nicht-militärisch verwendet, ein Zivilist ist ein Nicht-Soldat. Einen Anklang an die ursprüngliche Bedeutung finden wir aber noch, wenn jemand annehmbare Preise als zivile Preisen bezeichnet, sowie in den Worten zivilisiert und Zivilisation.

Courage ist ebenfalls dem Französischen entlehnt. Es bedeutet Beherztheit, Mut, Tapferkeit und ist vom französchen cœur (Herz) hergeleitet, das wiederum vom lateinischen cor (Herz) abstammt. Französische Fremdwörter sind in den letzten Jahren stark auf dem Rückzug. Statt Rendezvous sagt man Date, das Mannequin heißt Model und Courage wird heute umgangssprachlich einfach nicht mehr verwendet. Das Wort überlebt aber in dem Fachbegriff der Zivilcourage.

Von einem Soldat wird Tapferkeit eingefordert. So lautet beispielsweise das Gelöbnis der Bundeswehr 1:

Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.

Dieses Versprechen der Tapferkeit muss jeder Wehrpflichtige geloben und jeder Zeit- oder Berufssoldat schwören.

Zivilcourage - der "Bürgermut" - ist im Gegensatz dazu die Tapferkeit der Nicht-Soldaten. Diesen Begriff schuf Otto von Bismarck, (* 1815, † 1898), genannt der "Eiserne Kanzler", der Gründer und erster Kanzler des Deutschen Reiches war. Martin Knobbe 2 schreibt hierüber:

Otto von Bismarck
Es war ein Montag im Mai, als das Wort Zivilcourage geboren wurde. Pfiffe gellten durch das Parlament, während der junge Abgeordnete und spätere Reichskanzler seine erste Rede hielt.

Es ging um ein Gesetz über die Rentenbank, gegen das er sich aussprach. Ironisch und fast beleidigend waren seine Worte, die Reaktionen darauf mindestens ebenso harsch.

Später saß der Abgeordnete mit einem älteren Verwandten beim Essen, der meinte: "Du hattest ja ganz Recht, aber so etwas sagt man doch nicht." Der Jüngere antwortete: "Wenn du meiner Meinung warst, hättest du mir beistehen sollen."

Es war der 17. Mai 1847, und die Schmach im Vereinigten preußischen Landtag traf den jungen Abgeordneten Otto von Bismarck so tief, dass er später noch von diesem Erlebnis erzählte. "Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns Gemeingut", meinte er zu seinem Vertrauten Robert von Keudell, "aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt."

Heute wird unter Zivilcourage ein mutiges Verhalten verstanden, mit dem sich jemand - ohne Rücksicht auf eventuelle Nachteile - für Werte einsetzt, von denen er überzeugt ist. Dies kann eine politisch motivierte Handlung gegen die herrschende Meinung, aber auch eine Hilfeleistung bei einem Übergriff in einer U-Bahn sein.


1§ 9 Soldatengesetz, Gelöbnisformel für wehrpflichtige Soldaten
2Martin Knobbe: Die Tugend der Wächter, in: Stern 31/2005, Hamburg 2005, S.113. Zitat.

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Dieser Artikel ist Teil der Online-Edition Mythos Elser.